1942 Ostfront

1942 Ostfront

Originaltitel: Rzhev
Genre: Kriegsfilm
Regie: Igor Kopylov
Hauptdarsteller: Sergey Zharkov
Laufzeit: DVD (113 Min) • BD (118 Min)
Label: Capelight Pictures
FSK 18

1942 Ostfront   14.01.2021 von Michael Rothe

Bereits damals zu Ostzeiten fiel mir auf, wie rabiat die Russen mit den eigenen Soldaten umgehen, obwohl diese ja motiviert für Ihr Land kämpfen und dies nicht aufgrund der miesen Behandlung in Frage stellen sollten. Filmisch für mich erstmals thematisiert sah ich das in Duell – Enemy at the gates. Die jüngeren russischen Produktionen The War Dog und AK 47 – Kalashnikov flochten diesen Missstand ebenfalls ein. Hier wird diesbezüglich gar kein Blatt mehr vor den Mund genommen und das kommt gnadenlos ehrlich rüber...

 

Inhalt

 

Ein russischer Kompaniekommandant (Sergey Zharkov) erhält den Befehl, das unbedeutend erscheinende Dorf Ovsyannikovo anzugreifen und es den Deutschen zu entreißen. Dies gelingt auch, jedoch nur sehr schweren Verlusten. Nachschub soll kommen, kann aber noch dauern. Unter diesen Umständen ist es natürlich schwierig das Dort selbst zu halten und auch die Truppenmoral nicht unnötig leiden zu lassen. Da mit Kartsev (Ivan Batarev) und Machikhin (Oleg Gayanov) schon zwei eher widerspenstige Soldaten in der Truppe sind und ein Politoffizier (Arseniy Semyonov) und der junge, diensteifrige Neuling Rykov (Grigori Nekrasov) zu der Truppe stoßen, eskaliert es kurz vor einem Angriff auch fast innerhalb der Truppe.

 

Spontan bin ich sehr überrascht von dem Film, da er sich von vielen anderen Genrevertretern durch Andersartigkeit positiv abhebt. Kriegsfilme nach Schema F gibt es viele. Die Feindbilder sind meist recht klar und deutlich. Unter den Guten verbergen sich evtl. auch mal der eine oder andere sich als Psychopath oder Verräter entpuppende Soldat. Am Ende gibt’s jede Menge Pathos und die Welt ist gerettet…

 

Falsch gedacht, denn hier läuft vieles so ganz anders.


Der Film steigt zwar in seiner Anfangssequenz mitten ins Kriegsgeschehen ein, wirft den Zuschauer auch mitten ins Gefecht mit hinein und setzt sogar möglicherweise bei dem einen oder anderen ein paar Sympathieakzente. Diese werden teilweise umgehend wieder zerstört, weil in diesem Gefecht einfach verheerend viele Soldaten fallen. Somit ist von Anfang an die Botschaft klipp und klar, dass Krieg nichts Schönes ist. Das gab es zwar auch schon vielfach, aber wie z. B. bei Apocalypse Now und Full Metal Jacket wurde diese Botschaft entweder nicht deutlich genug oder auch zu anders auslegbar herübergebracht. Ich musste leider schon vielfach beobachten, dass deren Botschaft sowohl von Zivilisten, als auch ehemaligen Soldaten einfach komplett pervertiert wurde. Hier ist die Botschaft klar und deutlich auf den Punkt gebracht und das finde ich, hier gibt es daran nichts Gutes zu finden.

 

Ein Kriegsfilm dreht sich natürlich im Normalfall um einen Krieg oder einen bestimmten Abschnitt daraus, wobei so ganz nebenbei auch die Einzelschicksale angerissen werden. Dies macht dieser Film hier anders. Privaten Hintergründen werden hier derselbe Spielraum und Wertigkeit wie dem Kriegsgeschehen eingeräumt. Man hat auch endlich mal genug Zeit, Sympathien aufzubauen und nicht von Anfang an quasi schon zu wissen, wer Kanonenfutter ist und wer nicht. Weiterhin wird üblicherweise mit Flaggen gewedelt und Pathos verbreitet, was das Zeug hält. Auch hier Fehlanzeige! Der Versuch eines jungen Rekruten, während des Gefechts den Stern wieder an seine Mütze zu heften, wird von einem älteren quasi damit quittiert, dass er den Kopf unten behalten soll und der Stern egal wäre. Das empfand ich als angenehm realistisch, erfrischend anders und auf wesentliche konzentriert.

 

Das passt auch gleich zum nächsten Thema, dass ich bereits eingangs angesprochen habe. Die Russen hatten in WK II eine sehr wichtige Ressource: Soldaten. Waren diese nicht gut ausgerüstet, war das scheinbar oft nebensächlich, wenn die Massen an Menschen den Gegner überrannten. So hat es mir auch mein Großvater geschildert. Mehrfach stellen der Film und seine Charaktere diese und ähnliche Missstände an den Pranger. Ein anderer solcher wäre die gefühlt endlose Diskussion um deutsche Flugblätter, die auf keinen Fall angefasst oder gar gelesen werden dürften, da sie Truppendemoralisierung zur Folge haben könnte. Dass im Gegenzug auf dieses Vergehen die sofortige Exekution stand, ist alles andere als nachvollziehbar oder gar motivierend für die Soldaten. Dass hier derart Tacheles geredet wird, finde ich bewundernswert ehrlich. Dies ist ein Umstand, den sich ein amerikanischer Film eher selten erlauben würde, was ich den Russen wirklich extrem hoch anrechne.

 

Angenehm finde ich auch die russische Distanzierung vom Wedel mit der Nazikeule. Klar sind die Deutschen die Gegner und diese werden auch hier und da möglichst schonungslos niedergemetzelt. Aber im Prinzip sind sie „nur“ Feinde und bis auf eine recht derbe Szene wird nicht extra in der 75 Jahre alten deutschen Wunde herumgestochert, dass wir Deutschen das personifizierte Böse sind und das ist angenehm nüchtern, sachlich und distanziert. Damit kann ich nicht anders, als den gesamten Inhalt und seine Betrachtungs- und Erzählweise gutzuheißen.

 

Anlasten kann man dem Film zu Recht einige Längen. Ich kann mir vorstellen, dass das viele etwas als langweilig empfinden. Eigentlich passiert die ganze Zeit etwas, es wird gekämpft, diskutiert, gescherzt, man lernt sich kennen, aber all das ist in diesen Ausmaßen gegen jegliche „Kriegsfilmnorm“, dass sich viele daran wohl stören könnten.

 

Bildergalerie von 1942 Ostfront (7 Bilder)

Details zur Blu-ray

 

Bild und Ton können sich hier gut sehen und hören lassen. Die Balance zwischen Dialogen und Kampf ist sehr gelungen. Oft hört man ja kaum das gesprochene Wort, macht also lauter und wird beim ersten Schuss aus der Couch geblasen. Die vorliegende Abmischung empfinde ich als recht gelungen. Vom Bild her gibt’s auch nicht zu meckern, aber es zeigt recht sachlich das Kriegsgeschehen ohne besondere optische Schmankerln wie z. B. die Zeitlupensequenzen in T-34. Aber das ist auch gut, denn es passt zum eher sachlichen Stil des Films. Etwas mager sind die quasi nicht vorhandenen Extras. Mich hätten hier Hintergründe wie Interviews mit Überlebenden der Schlacht oder eine kleine Zusammenfassung der angewandten Taktik interessiert. Leider gibt es nur die Vorschau zum Film anzusehen.



Cover & Bilder © capelight pictures OHG


Das Fazit von: Michael Rothe

Michael Rothe

Ich bin noch etwas unschlüssig, was eine Bewertung angeht. 1942 Ostfront wird ganz sicher nicht die Massen begeistern und das hat er auch bei mir nicht geschafft. Dennoch gehört ein derart grundehrliches Werk in Hinblick auf die Vorgehensweise der Russen und eine ebenso sachliche Herangehensweise an das Kriegsgeschehen meiner Meinung nach gewürdigt. So ohne in Zeitlupe wehende Flaggen und sich heroisch und unachtsam ins Geschehen stürzendes Kanonenfutter dürfen Kriegsfilme gern öfter daherkommen. Das gibt für mich insgesamt 7/10-8/10.


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