Die Blechtrommel
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BEWERTUNG |
16.10.2020 von Dan DeMento
Zu seinem 40. Jubiläum erscheint Die Blechtrommel in einer in 4K restaurierten Fassung auf zwei Blu-rays. Wir haben einen genauen Blick auf den Film von Volker Schlöndorff geworfen, der bei seinem Erscheinen 1979 ebenso gefeiert wie verrufen wurde. Wieviel Skandalpotenzial hat er 40 Jahre später noch zu bieten? Lest selbst!
Inhalt:
In Danzig im Jahre 1924 kommt Oskar Matzerath (David Bennent) zur Welt. Direkt nach seiner Geburt steht er seiner Umwelt äußerst skeptisch gegenüber. So beobachtet er, wie seine Mutter Agnes (Angela Winkler), obwohl mit Alfred (Mario Adorf) verheiratet, eine innige Affäre mit ihrem Cousin Jan Bronski (Daniel Olbrychski) pflegt und auch der Rest der Erwachsenenwelt sich recht seltsam verhält. An seinem dritten Geburtstag beschließt er daher, nicht erwachsen werden zu wollen und aufzuhören zu wachsen, was er durch einen inszenierten Treppensturz herbeiführt. Von daher beobachtet er, immer ausgerüstet mit seiner Blechtrommel, die Welt der Erwachsenen genauso von außen wie die die Kinder, die ihn ebenfalls nicht akzeptieren. Geistig ist er zwar allen Personen um sich herum überlegen, wird aufgrund seines kindlichen Körpers aber nie für voll genommen. Als das dritte Reich erstarkt, wird ihm noch deutlicher bewusst, wie fließend die Übergänge zwischen Täter und Opfer sind, im Großen wie im Kleinen.
"Ich erblickte das Licht der Welt in Form einer 60 Watt Glühbirne”. Die Blechtrommel, in Buch- wie in Filmform hat es vom kontroversen Werk über den Klassiker bis zur Legende gebracht. Er war der erste deutsche Film, der den Oscar für den besten fremdsprachigen Film einfahren konnte, gewann die Goldene Palme in Cannes und den deutschen Filmpreis. Doch trotz all des Lobes wurde der Film auch oft verpönt, in China ist er zum Beispiel bis heute verboten und in den USA war er sogar Teil einer Gerichtsverhandlung unter dem Vorwurf der Kinderpornographie.
Und tatsächlich hat Die Blechtrommel auch 40 Jahre später nicht viel von ihrer kontroversen Anziehungskraft verloren. Zwar kennen wohl die meisten die Grundzüge der Geschichte um Oskar Matzerath, der beschließt nicht mehr zu wachsen, in der heutigen Generation ist die Zahl derer, die den Film gesehen oder womöglich gar den Roman von Günter Grass gelesen haben, aber wohl recht überschaubar geworden. Da kommt die restaurierte Neuauflage gerade recht, denn diese sieht nur wirklich erstaunlich gut aus, sondern enthält neben der Kinofassung auch den 20 Minuten längeren Director´s Cut von 2010. Dieser wurde zwar nicht restauriert, ist aber trotzdem die empfehlenswertere Fassung für das gegenwärtige Publikum, da auch einige Zeitdokumente eingefügt wurden, die den Film historisch eher verortbar machen.
Volker Schlöndorff hat es auf eine sehr einzigartige Weise geschafft, die oft surrealen und fast immer sehr symbolträchtigen Szenen des Buches in seinen Film zu transportieren. So beginnt der Film quasi mit einer Einstellung aus dem Mutterleib heraus, die den noch ungeborenen Säugling - auch da schon gespielt von David Bennent - in einer rosa fleischigen Welt zeigen, die mit ihrem krassen Kontrast zum kühlen Kreißsaal - und der eingangs erwähnten 60 Watt Glühbirne - die Geburt beinahe spürbar machen. Und dieses Konzept zieht sich durch den ganzen Film. So sehen wir Aale in Pferdeköpfen, Sexszenen mit dem - körperlich - dreijährigen Oskar, Suizide und die Schrecken des Krieges, all das in sehr drastischen, teilweise schlicht ekelerregenden Bildern. So ist es verständlich, dass Zuschauer, die nicht bereit sind, hinter die Fassade der angebotenen Bilder zu sehen, Die Blechtrommel von Herzen verachten und verbieten wollen, während andere den Film für seine großartige Symbolik lieben.
Während die Person Günter Grass es leider - wie viele Altersgenossen - in ihren letzten Jahren geschafft hat, den eigenen Ruf durch das Geständnis, bei der Waffen-SS gewesen zu sein und durch antisemitische Gedichte, nachhaltig zu zerstören, so funktioniert Die Blechtrommel trotzdem immer noch einwandfrei als Symbol für den Wahnsinn des dritten Reichs. Sei es der Massen-Walzertanz bei den NSDAP-Kundgebung, sei es die Dreiecksbeziehung seiner Mutter als Symbol für die völkerrechtliche Lage in Danzig zwischen den Weltkriegen, lässt man sich auf Die Blechtrommel ein, so gibt es fast keine Szene, die auf mehreren Ebenen funktioniert.
Und so ist der Film nicht ein verstaubter Klassiker, den man gelegentlich aus Pflichtbewusstsein hervorkramt, sondern ist - neben der Geschichte an sich - auch aus cineastischer Sicht noch immer ein Meilenstein. Schlöndorff hat mehr als mutig inszeniert, und die Riege seiner Schauspieler ist schlicht und einfach großartig. So verließ er sich einerseits auf Zugpferde wie Mario Adorf und Angela Winkler, die ihm durch ihre Titelrolle in Die verlorene Ehre der Katharina Blum ihren Durchbruch verdankte, vor allem bei der Besetzung von David Bennent als Oskar dürfte aber einer der größten Glückgriffe der Filmgeschichte gewesen sein. Bennent war zum Zeitpunkt des Drehs zwar schon 11 Jahre alt, sieht aber aufgrund seiner Kleinwüchsigkeit nicht nur bedeutend jünger aus, sondern wirkt auch aufgrund seiner Statur und seiner Mimik eher Zusammengefasst sollte man auf Die Blechtrommel auf jeden Fall mal einen Blick werfen, und sei es nur, um die eigene Neugier zu befriedigen. Die restaurierte Kinofassung ist auf jeden Fall die schönere - gerade Neueinsteiger sollten aber eher zum Director´s Cut werfen, der wirklich einige sehr gute zusätzliche Szenen enthält.
Details der Blu-ray:
Bild und Ton sind, um es mit einem Wort zu sagen, großartig. Das 4K-Remaster hat dem Film wirklich sehr gut getan, er ist gestochen scharf, frei von Störungen und Rauschen und der Ton kommt mit ordentlich Raum und Druck aus den Boxen. Aber auch wenn man dem Director´s Cut auf der zweiten Scheibe sein Alter etwas mehr ansieht, gibt es auch hier qualitativ nicht viel zu meckern. Auf einer guten Anlage ist der Unterschied zwischen den - neu synchronisierten - zusätzlichen Szenen und dem Originalton etwas deutlicher als gewünscht, am Filmgenuss ändert das aber nichts. Sehr schön ist, dass es massig Bonusmaterial gibt, unter anderem Interviews, ein Feature zum Director´s Cut, Trailer, und einiges weitere.
Cover & Bilder © Studiocanal GmbH Das Fazit von: Dan DeMento |
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