Die Wütenden - Les Misérables

Die Wütenden - Les Misérables

Originaltitel: Les Misérables
Genre: Drama
Regie: Ladj Ly
Hauptdarsteller: Damien Bonnard
Laufzeit: DVD (98 Min) • BD (102 Min)
Label: Alamode Film / Wild Bunch Germany
FSK 16

Die Wütenden - Les Misérables   26.05.2020 von Dan DeMento

Große Fußstapfen, in die Regisseur Ladj Ly mit seinem Spielfilmdebut da tritt, indem er es selbstbewusst Les Miserables nennt. Immerhin trägt diesen Titel auch ein Roman von Victor Hugo, der als Musical oder spätestens seit dem Film von 2012 jedem bekannt sein dürfte. Doch steckt hinter dem großen Titel auch ein großer Film? Wir haben es für Euch herausgefunden...
 
Inhalt:
 
Als der Polizist Stéphane (Damien Bonnard) sich von seinem ruhigen Arbeitsplatz auf dem Land mitten in das Pariser Problemviertel Montfermeil versetzen lässt, merkt er schnell dass die Dinge hier anders laufen. Seine beiden Kollegen Chris (Alexis Manenti) und Gwanda (Djebril Zonga) führen ihn in eine Parallelgesellschaft ein, deren Herrscher die Muslimbruderschaft und Le Maire (Steve Tientcheu) ein Gangster, der sich selbst zum Bürgermeister ernannt hat, sind. Das empfindliche Verhältnis der Mächte wird jäh gestört, als aus einem Zirkus ein Löwenbaby gestohlen wird und dessen Besitzer mit Mord und Totschlag drohen. Der Täter ist schnell gefunden: Der minderjährige Issa (Issa Perica), der ein regelmäßiger Besucher des Polizeireviers ist. Beim Versuch Issa festzunehmen werden die Polizisten von einer Horde Kinder angegriffen und mit Steinen und Flaschen beworfen. Im daraus entstandenen Tumult, verletzt Gwanda Issa schwer mit einem Gummigeschoss am Kopf. Als die Polizisten auch noch feststellen, dass das Ganze mit einer Drohne gefilmt wurde, müssen sie plötzlich nicht nur ein Löwenbaby finden, sondern auch das Videomaterial sichern, um zu verhindern, dass die Hölle losbricht.
 
Die Gemeinsamkeiten zwischen Buch und Film springen sofort ins Auge. Zwar trennen die beiden Geschichten knappe 200 Jahre, doch teilen sie sich deutlich mehr als nur den Schauplatz Montfermeil. Die Wut der Jugend, die Unterdrückung der Armen, all das hat nichts an Aktualität verloren.
 
So spannend wie die Geschichte selbst ist auch die Entstehung des Films. Regisseur Ladj Ly drehte während der Pariser Unruhen von 2005 mehr als 100 Stunden dokumentarisches Material, das unter anderem zu einigen Verurteilungen wegen Polizeibrutalität führte. Dies inspirierte ihn zu einem vielfach ausgezeichneten Kurzfilm, aus dem wiederum Die Wütenden - Les Miserables entstand.
 
Und genau diesen dokumentarischen Stil hat Ly beibehalten. Obwohl es einen - sogar recht spannenden - Plot gibt, stehen die Menschen im Vordergrund. Auf der einen Seite stehen die Bewohner von Montfermeil, die größtenteils weit unter der Armutsgrenze leben und sich ihren Unterhalt mal mehr, mal weniger legal verdienen müssen, Auf der anderen Seite stehen die Polizisten, die gelernt haben, mit der Situation umzugehen und sich selbst nicht immer an die Regeln halten, teilweise mit drastischen Folgen. Trotzdem zeichnet der Film nicht klar Gut und Böse. Weder sind die Polizisten gewissenlose Gewaltmaschinen, noch handeln die Verbrecher zum Spaß, wie sie es tun. Jede Tat des Films bleibt nachvollziehbar, so ungern man es manchmal zugeben möchte.
 
Einen großen Teil dazu tragen natürlich auch die Schauspieler bei. Die Nebenrollen wurden meistens mit Amateuren besetzt, mit echten Leuten von der Straße, und gerade bei den Kindern und Jugendlichen fällt sehr auf, wie wenig Gekünstel in ihrem Spiel liegt. Aber auch die Profis liefern ordentlich ab, vor allem Alexis Manenti geht in seiner brutalen, leicht psychopathischen Rolle voll auf.
 
Einer der wenigen Kritikpunkte ist das Ende. Ohne zu viel verraten zu wollen hätte ich mir an dieser Stelle gewünscht, der Film wäre noch ein paar Minuten länger gewesen. Die künstlerische Absicht daran, den Film an einem entscheidenden Wendepunkt enden zu lassen, ist klar, hat mich in diesem Fall aber nicht überzeugt. Aber das ist natürlich nur persönlicher Geschmack, als eindrucksvolle Anklage der Zustände im Pariser Ghetto überzeugt Die Wütenden - Les Miserables so oder so.
 
Der Film lässt einen als Zuschauer ratlos zurück und man fragt sich, wie etwas in der heutigen Zeit möglich ist, obwohl man einen Teil der Erklärungen gerade auf dem Silbertablett bekommen hat. Die Wütenden - Les Miserables leistet als Spielfilm, was sonst gute Dokumentationen leisten: Er rüttelt auf, er zeigt das wahre Leben ohne Anklage oder Parteiergreifen und er bringt einen zum Nachdenken. Es fehlen ein paar Kleinigkeiten zum Meisterwerk, sehenswert ist er aber auf jeden Fall.
 

Bildergalerie von Die Wütenden - Les Misérables (6 Bilder)

Details der DVD:
 
Zur Bewertung lag leider nur die DVD vor, daher mussten bei Bild und Ton natürlich gewisse Abstriche gemacht werden. Gerade im Finale des Films sind diese deutlich spürbar. Bei schlechten Lichtverhältnissen grisselt es an allen Ecken und Enden und auch der Ton hätte gelegentlich etwas mehr Druck vertragen können. Alles in Allem ist das aber absolut im Rahmen des Genießbaren. An Bonusmaterial bietet die DVD den Original-Kurzfilm, aus dem Die Wütenden - Les Miserables entstand, ein Interview mit dem Regisseur, Deleted Scenes, Trailer und Material von der Premiere in Cannes.


Cover & Bilder © AlamodeFilm. Alle Rechte vorbehalten.


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

 

Die Wütenden - Les Miserables hat das Wichtigste erreicht, was ein Film kann: Man denkt noch Tage später über den Inhalt nach. Es gibt einige Abstriche wie die komplett aus dem Rahmen fallende Eröffnungsszene und einige Momente, die besser auf dem Schnittpult liegen geblieben wären, aber insgesamt ist der Film absolut empfehlenswert!


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