Emily
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BEWERTUNG |
13.05.2023 von Dan DeMento
Biopics sind gerade hoch im Kurs und viktorianische Romanzen funktionieren schon immer. Die Kombination aus beidem bietet jetzt Emily, der sich mit dem Leben von Emily Brontë, der Autorin von "Sturmhöhe" beschäftigt. Da kann also eigentlich nichts schiefgehen, oder? Wir haben das überprüft.
Inhalt:
Yorkshire, um 1840 - Nach dem Tod der Mutter lebt Pastor Patrick Brontë (Adrian Dunbar) mit seinen drei Töchtern Charlotte (Alexandra Dowling), Anne (Amelia Gething) und Emily (Emma Mackey) sowie seiner Schwester zusammen. Gebildet und klug sind alle drei, doch gerade Emily ist ein Problemfall. Statt gesellschaftlich eine gute Figur zu machen und französisch zu lernen, treibt sie sich mit ihrem opium- und alkoholabhängigen Bruder Branwell (Fionn Whitehead) im Dorf herum und verfasst fragwürdige Poesie. Und dann kommt auch noch der neue Vikar William Weightman (Oliver Jackson-Cohen) ins Haus. Und statt die Ordnung wiederherzustellen, scheint der Emily noch viel weiter vom Weg abzubringen...
"Emily Brontës größte Geschichte: Ihre eigene", so heißt es aufmerksamkeitsheischend auf dem Cover von Emily. Leider ist da der Wunsch der Vater des Gedankens, denn genau das ist leider nicht der Fall. "Nicht jede Biografie taugt zu einem Film" wäre der passendere, vermutlich aber nicht so verkaufsfördernde Untertitel gewesen. Denn obwohl das Leben der jungen Autorin nicht nur in wesentlichen Aspekten verändert wurde, sondern auch mit einigen nur wenig abgeänderten Elementen ihres Romans Sturmhöhe angereichert wurde, so passiert den ganzen Film über einfach erschreckend wenig.
Dass ein Film mit wenig bis keiner Handlung nicht unbedingt ein schlechter Film sein muss, wissen gerade Fans des Independent-Films sehr gut. Doch dann muss zumindest das wenige, was passiert, einen gewissen Mehrwert bieten oder es müssen interessante Charaktere zu erleben sein. Doch Emily hat leider beides nicht.
Während die vor allem aus Sex Education bekannte Emmy Mackey in der Titelrolle noch ein bisschen zeigen darf, dass sie Schauspielerin ist, bekommen ihre Kollegen diese Gelegenheit oft gar nicht mehr. Während ihre ältere Schwester Charlotte zumindest noch als Klischee herhalten darf, wurde die mittlere Schwester offenbar leider gänzlich ohne Eigenschaften geboren und ist halt gelegentlich zufällig auch mit im Bild. Und auch Oliver Jackson-Cohen als Love Interest Mr. Weightman spielt mit einer solchen Langeweile und Sympathielosigkeit, dass man in keinem Moment verstehen kann, warum sich jedes weibliche Wesen in seiner Nähe unsterblich in ihn verliebt. Dass Jackson-Cohen deutlich mehr kann, hat er zum Beispiel in der Dracula-Serie oder Netflix' Spuk in Hill House sowie der - etwas schlechteren - Fortsetzung Bly Manor beweisen können.
Doch das viel größere Problem von Emily wird dadurch sogar noch verschlimmert, dass der Film in Drehbuch und Regie aus der Feder einer Frau, nämlich der Schauspielerin Frances O'Connor (Alles über Adam, Conjuring 2), die mit Emily ihr Regiedebut hinlegt. Wären Autor und Regisseur nämlich männlich, so würde man ihnen vermutlich Sexismus vorwerfen, denn die Handlung - die ja wie oben erwähnt keine realen Ereignisse wiedergibt - ist so männlich gedacht, wie sie nur sein könnte. Denn die junge Emily ist irgendwie seltsam, irgendwie schüchtern und irgendwie hilflos, doch was ihr schließlich hilft, ist nicht etwa die Poesie, deren Ausübung zwar ein-, zweimal erwähnt, aber nie wirklich zum Thema gemacht wird, sondern es ist der starke Arm - und besonders die starke Lende - des Hauslehrers, der aus Emily plötzlich eine selbstbewusste Frau macht. Und auch "dieses Buch", um das sich sinnvollerweise die Handlung hätte drehen sollen, schreibt sie schließlich nur, um ihn zu ärgern.
Nicht, dass jeder Film zwingend eine Moral bräuchte. Aber wenn ein Werk so moralisch daherkommt wie Emily, dann ist es vielleicht nicht ganz das richtige Zeichen, wenn ich das Glück meiner Hauptfigur von der Zuneigung eines Mannes abhängig mache - Zumal wenn diese Dame zu den Begründerinnen der Emanzipation zählt. Und nur um das klarzustellen, wir reden hier nicht von der gesellschaftlichen Abhängigkeit der Frau vom Mann, wie sie in den 1800ern leider völlig normal war, hier geht es um tief emotionale, persönliche Entscheidungen.
So wird das Leben von Emily Brontë - und deren Schwester Charlotte, die mit Jane Eyre ja auch ein nicht ganz unerhebliches Werk geschaffen hat - einer mehr als flachen, hanebüchenen Schmonzette geopfert, deren vollkommen eindimensionale Charaktere hilflos durch fast zwei Stunden absurde Handlung stolpern, bis es endlich zum ersehnten Koitus samt darauf logisch folgendem tiefsten Elend kommt. Das ist, um es diplomatisch auszudrücken, schade.
Details der Blu-ray:
An Bild und Ton ist nichts auszusetzen, alles ist klar, sauber und gut gemischt, was für O-Ton, wie deutsche Fassung gilt. Auch ein wenig Bonusmaterial gibt es, die Scheibe enthält ein Making Of sowie einige Trailer.
Cover & Bilder © capelight pictures OHG / © Michael Wharley 2019 Das Fazit von: Dan DeMento
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