Freies Land

Freies Land

Originaltitel: Freies Land
Genre: Thriller
Regie: Christian Alvart
Hauptdarsteller: Trystan Pütter
Laufzeit: DVD (127 Min) • BD (129 Min)
Label: EuroVideo
FSK 16

Freies Land   14.08.2020 von Dan DeMento

Der cineastische Umgang mit der deutsch-deutschen Grenze beschränkt sich hierzulande hauptsächlich auf mehr oder weniger gelungene Komödien. Der deutsche Genre-König Christian Alvart nimmt sich dem Thema in Freies Land auf eine andere Weise an - als dreckiger, harter Thriller. Ob das funktioniert, oder ob wir uns Sonnenallee und Good Bye Lenin zurückwünschen, erfahrt ihr hier.

Inhalt:
 
Ostdeutschland, 1992. Kurz nach dem Mauerfall wird den Bewohnern der ehemaligen DDR langsam klar, dass das Versprechen der "Blühenden Landschaften" vielleicht etwas hoch gegriffen war. Um Arbeit zu finden, gehen viele junge Leute in den Westen. So ist es scheinbar auch im mecklenburgischen Dorf Löwitz, bis plötzlich die entstellten Leichen zweier Schwestern aufgefunden werden. Mit den Ermittlungen werden die beiden Kommissare Stein (Trystan Pütter) und Bach (Felix Kramer) beauftragt, der eine aus dem Westen, der andere aus dem Osten. Doch je tiefer sie in das undurchschaubare Geflecht des Falls eintauchen, desto mehr dunkles fördern sie zu Tage. Nicht nur über Löwitz, sondern auch über ihre eigene Vergangenheit.
 
Christian Alvart ist spätestens seit dem großartigen Antikörper von 2005 ein Garant für deutsche Thriller der Extraklasse. Sein Stil ist unverkennbar, ist er doch einer der wenigen, die es schaffen, dass deutsche Filme nicht wie deutsche Filme aussehen. Dies durfte er bei den Til Schweiger-Tatorten ebenso unter Beweis stellen wie bei der Fitzek-Verfilmung Abgeschnitten, und auch seine Serien Dogs of Berlin und Sløborn schlugen ein wie Bomben.
 
Etwas in der zweiten Reihe bleib dagegen sein neuester Thriller Freies Land. Lose basierend auf dem spanischen La isla mínima – Mörderland von 2014 verlagerte Alvart die Handlung von Andalusien nach Ostdeutschland und aus der Franco-Diktatur wurde das DDR-Regime. Dieser Transport funktioniert extrem gut, der Plot ist glaubwürdig und dankenswerterweise fast komplett frei von platten Klischees.
 
Insgesamt ist der Film eine gelungene Mischung aus einem verhältnismäßig harten Thriller und einem sehr ruhigen Drama. Wer also Geballer, ein Hetzen von Tatort zu Tatort und markige Oneliner erwartet, wird von Freies Land vermutlich sehr enttäuscht sein. Zwar kommen Action und auch härtere Momente nicht zu kurz, mit seinen gut zwei Stunden Laufzeit lässt der Film sich aber vor allem Zeit, gibt seinen Charakteren Gelegenheit, sich zu entwickeln und dem Zuschauer, in die fast unwirkliche Optik des Films einzutauchen.
 
Denn hier liegt die große Stärke der Werke von Alvart allgemein und von Freies Land im Besonderen: Die triste, heruntergekommene Gegend von Löwitz wirkt eher wie ein Sumpfgebiet am Mississippi als wie Mecklenburg-Vorpommern. Das entsättigte, kontrastreiche Bild und der fantastische Soundtrack tragen zu diesem Eindruck ebenfalls bei.
 
Und bis auf wenige Ausnahmen machen auch die Darsteller ihren Job extrem gut. Trystan Pütter und Felix Kramer spielen ihre Rollen als ungleiche Ermittler mit einer Authentizität, die manch "großen" Kollegen vor Neid erblassen lassen dürfte. Und während gerade Felix Kramer zu Beginn mit Porno-Schnauzer und Sonnenbrille eher wie eine Art True Detective für Arme aussieht, verblasst dieser Eindruck schon nach wenigen Szenen und man hat das Gefühl, dass sein Markus Bach exakt zu aussehen muss.
 
Eine Überraschung war für mich die Österreicherin Nora Waldstätten, die mich in ihren bisherigen Rollen - zum Beispiel in den Eberhofer-Filmen oder in Josef Haders Wilde Maus - nie wirklich überzeugen konnte. In Freies Land spielt sie ihre Rolle der Mutter der verschwundenen Mädchen mit einer Tiefe und Ehrlichkeit, die ich ihr nicht zugetraut hätte. Und auch den österreichischen Zungenschlag hat sie in der Rolle beinahe komplett abgelegt.
 
Die Sprache ist insgesamt ein interessanter Punkt in Freies Land: Es ist offensichtlich, dass Christian Alvart seine Schauspieler ermutigt hat, den "deutschen Film-Sprech" abzulegen und die Sätze auch mal ein wenig zu verschleifen. Das führt dazu, dass der Film über weite Strecken ein einziges Genuschel ist. Das macht ihn zwar extrem ehrlich und authentisch, erfordert aber auch genaues Zuhören und vereinzelt fast deutsche Untertitel.
 
Alles in allem ist Freies Land ein Film, der die Gemüter spalten wird. Er hat seine Längen, diese sind aber geschickt verteilt und waren für mich eher stimmungsfördernd als zäh. Hier wurde der Mut bewiesen, die ausgetretenen Krimipfade zu verlassen und sich im wahrsten Sinne in den Sumpf zu begeben. Mich hat das Ergebnis überzeugt.
 

Bildergalerie von Freies Land (4 Bilder)

Details der Blu-ray:
 
Freies Land ist einer der Filme, wo sich der Griff zur Blu-ray definitiv lohnt. Die entsättigte, stilisierte, grobe Optik des Thrillers wirkt am besten auf der großen Leinwand und am zweitbesten in HD. Die Blu-ray liefert ein störungsfreies, sattes Bild und einen klaren, druckvollen Ton, der den grandiosen Soundtrack wunderbar zur Geltung bringt. Schade ist, dass es kein Bonusmaterial gibt. Gerade ein Making-Of hätten mich bei diesem Film sehr interessiert.


Cover & Bilder © EuroVideo Medien GmbH. Alle Rechte vorbehalten.


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

 

Freies Land zeigt deutlich, dass die deutsche Filmlandschaft mehr kann als Tatort und Fack Ju Göhte. Der Streifen hat - wie fast jedes Werk von Christian Alvart - eine Menge Aufmerksamkeit verdient und sollte in keiner Filmsammlung fehlen.


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