Schachnovelle
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BEWERTUNG |
02.03.2022 von MarSStefan Zweigs Schachnovelle war nicht nur das Letzte, sondern zweifellos auch das bekannteste Werk des britisch-österreichischen Autors. Während die Novelle ein Dauergast auf Bestsellerlisten ist und seit vielen Jahren als Schullektüre dient, sind Adaptionen für die Leinwand bisher spärlich gesät. Nach einer Verfilmung im Jahr 1960 hat sich nun der deutsche Regisseur Philipp Stölzl (Nordwand, Der Medicus) des Stoffes angenommen...
Inhalt
Wien, 1938. Die Nationalsozialisten Deutschlands stehen kurz davor, Österreich zu besetzen. Gemeinsam mit seiner Frau Anna (Birgit Minichmayr) will der Notar Josef Bartok (Oliver Masucci) in die USA fliehen, wird jedoch während des Versuchs, brisante Unterlagen zu vernichten, von der Gestapo verhaftet. Bartok, der als Anwalt und Unterstützer des österreichischen Adels umfassende Geldmittel verwaltet hat, wird fortan im Wiener Luxushotel Metropol gefangen gehalten, wo er dem Gestapo-Leiter Franz-Josef Böhm (Albrecht Schuch) Zugang zu den geheimen Konten verschaffen soll. Bartok weigert sich vehement, denn er befürchtet, dass sein Wissen seine einzige Möglichkeit darstellt, die Gefangenschaft zu überleben. Die Isolation in einem abgeriegelten Hotelzimmer hinterlässt allerdings zusehends ihre Spuren, und Bartok steht schließlich kurz davor, seinen Widerstand zu beenden. Doch da fällt ihm ein Schachbuch in die Hände, und Bartok beginnt, sich durch das Studium des Spiels von seinen Qualen abzulenken...
Für seine ganz eigene Adaption der Schachnovelle verbindet Philipp Stölzl inhaltliche Bestandteile der literarischen Vorlage mit erzählerischen Abweichungen der Verfilmung aus dem Jahr 1960, stellt am Ende aber dennoch die gesamte Erzählstruktur gänzlich auf den Kopf. Die Rahmenhandlung um die Schiffsreise auf einem Luxusdampfer sowie das Schachspiel gegen den amtierenden Weltmeister bekommt in Stölzls Verfilmung einen völlig neuen Charakter, während die Tortur der Isolationshaft und damit die Figur des Josef Bartok (in der Novelle: Dr. B.) sowie dessen psychologisches Profil komplett in den Vordergrund rücken. Ein mutiger Schritt, der sich jedoch gelohnt hat, denn auch wenn dabei die Komplexität und die Interpretationsmöglichkeiten der Vorlage ein wenig verloren gehen, bringt Schachnovelle nun die geistigen Qualen und ihre Langzeitfolgen sehr deutlich zur Geltung, und verwandelt die Geschichte vor allem im letzten Drittel in ein intensives Psychogramm, das - insofern man die literarische Vorlage noch nicht kennt - mit einem grandiosen Finaltwist abschließt. Immer surrealer wirken hier die Ereignisse, und sowohl Zeit, als auch Realitätsbezug, scheinen für den Zuschauer in weite, ungreifbare Ferne zu rücken - ganz so, wie es auch der Figur des Josef Bartok ergeht. Auch, wenn man Zweigs Schachnovelle gelesen hat, und/oder die Verfilmung aus dem Jahr 1960 bereits kennt, so liefert Stölzls Adaption durch seinen verlagerten Fokus und die veränderten, beziehungsweise angepassten Strukturen ganz neue Sichtweisen und ungeahnte Möglichkeiten zur Interpretation der Ereignisse.
Aber nicht nur inhaltlich gelingt es Schachnovelle, den Zuschauer zu faszinieren, denn auch handwerklich präsentiert der Film wirklich großes Kino. Von der authentischen Ausstattung, über die symbolträchtige visuelle Gestaltung, bis hin zur eindrucksvollen Atmosphäre, Schachnovelle braucht sich wahrlich nicht vor einem internationalen Vergleich zu scheuen. Unbestreitbares Highlight ist allerdings die schauspielerische Leistung Oliver Masuccis, der auf bemerkenswerte Art und Weise eine wahre Tour de Force durchlebt, und dessen geistiger Verfall, samt den Spätfolgen des erlebten Traumatas, unglaublich intensiv, glaubwürdig und nachvollziehbar dargestellt werden. Nicht unerwähnt darf in diesem Bezug jedoch Albrecht Schuch bleiben, der mit seiner unerwarteten Doppelrolle nicht nur eine feste Größe innerhalb der Erzählung einnimmt, sondern damit sogar als zentraler Fixpunkt für neue Interpretationsmöglichkeiten der Geschichte dient.
Details der Blu-ray
Eine düstere, triste und leicht entsättigte Farbpalette dominiert das im Übrigen sehr scharfe, detailreiche und sehr gut ausbalancierte Bild der Blu-ray. Das Kontrastverhältnis ist kräftig, der Schwarzwert ausgewogen. Die Tonspur zeichnet sich trotz hoher Dialoglastigkeit der Inszenierung durch fein nuancierten Raumklang und eine schöne Dynamik aus, was sich vor allem in den Szenen auf dem Schiff bemerkbar macht. Die Sprachausgabe ist hingegen an mancher Stelle ein wenig zu leise, wodurch immer wieder kleinere Dialogpassagen im übrigen Sounddesign untergehen. Gerade bei geflüsterten Worten ist es dadurch oftmals schwierig, dem Geschehen zu folgen. Abgesehen davon aber technisch eine sehr hochwertige Blu-ray. Cover & Bilder © Studiocanal GmbH / ©Julia Terjung Das Fazit von: MarS
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